Rekonstruierter Turm- und Technikaufbau/ Bennigser Mühle weist Parallelen auf
Von Dieter Schütte
Gronau - Neue Recherchen erwecken die Gronauer Galerieholländer-Windmühle, von der es keine schriftlichen Unterlagen gibt, mit ihrer Technik zu neuem Leben. „Am Beispiel der restaurierten Windmühle in Bennigsen - identisch mit der Gronauer Windmühle, beide vermutlich zeitgleich durch die Firma Ludwig Tiedt aus Peine errichtet - lässt sich die gemauerte Bauform des Gronauer Turms, die unterschiedliche Gestaltung von Maschinenteilen mit Aufrüstung der Mahlgänge rekonstruieren“, stützt Mühlenbautechniker Rüdiger Hagen (Wedemark) diesen Vergleich.
Heimische Meisterbetriebe und Landwirte waren beim Mühlenaufbau integriert. Bereits 1868 sammelten alle Gronauer Bauern große Granitsteine und Bruchsteinfindlinge für das geplante Fundament von ihren Feldern, transportierten diese zum Hohenescher 383 (heute: Hoher Escher 9). Der Mühlenbaumeister beauftragte den örtlichen Maurermeister Heinrich Lichtenberg, der mit seinem Sohn Louis und weiteren Gronauer Maurern, aus den Findlingen das kreisrunde Fundament (Außen-Durchmesser: ca. 18,00 Meter und Tiefe: 1,80 Meter) erstellte. Darauf errichteten sie den Mühlenturm aus gebrannten Ziegelsteinen von der naheliegenden Dörrie´schen Ziegelei (Steintorstraße/ Georgstraße). Der Turm war in der unteren Hälfte typisch achteckig bis oberhalb der Galerie, hatte einen Außen-Durchmesser von ca. 14 Metern sowie eine Wandung von 0,80 Metern (daher auch „Achtkanter“ genannt). Von dort verlief der Turm weiter in einer leicht konisch verjüngten Bauweise und wurde zuletzt von unten bis oben mit Betonmörtel abgeputzt. Alle Holzarbeiten - darunter die Galerie in 3,50 Metern Höhe um den Turm, die jeweiligen Etagenböden, Tore, Türen, Fenster mit Klappen sowie Treppen - fertigten die ansässigen Zimmermeister Anton, August und Ludwig Fritz Haase. Die mühlenspezifischen Teile, darunter die um 360 Grad drehbare Dachkappe mit Windrose wurden in der Mühlenbaufirma vorgefertigt, probeweise zusammengebaut und transportfertig wieder in ihre Einzelteile zerlegt. Die zwiebelförmige Dachkappe war in Eichenholzgebälk mit äußerer Verbretterung und Dachpappe eingedeckt.
Aus Holz waren mit Sicherheit noch die Flügelwelle (aber mit gusseisernem Wellkopf zur Aufnahme der Flügel) und das Kammrad in der Kappe. Die Königswelle im Mühlenturm bestand wohl anfangs aus Holz, beim Neuaufbau 1883 vermutlich schon aus Gusseisen. Die beiden Räder (Bunkler und Stirnrad) auf der Königswelle hatte man mit großer Wahrscheinlichkeit in Gusseisen gefertigt, das Stirnrad besaß Holzkämme. Sämtliche Antriebsritzel der Mahlgänge mussten gusseisern sein. Die komplette Höhe des Mühlenturms mit Kappe betrug circa 20 Meter, der Flügelkreuz-Durchmesser maß circa 22 Meter. Die Bauzeit für eine derartige Galerieholländer-Windmühle setzte man zu der damaligen Zeit mit circa 1,5 Jahren an, wobei die Gesamtkosten rund 19.000 Thaler betragen konnten. Im Jahr 1870 - vor 150 Jahren - „klapperte“ erstmals die Mühle vom Windmühlenberg.
Technik: Von der Königswelle bis zum Mahlstein
Bei modernen Mühlen, wie der Gronauer, geschah das Drehen der Dachkappe automatisch durch die sogenannte Windrose, ein auf der Rückseite der Kappe montiertes Windrad. Zum Warten und Bedienen der Jalousieflügel, die nicht mehr bis kurz über den Erdboden führten, wurde ein Laufsteg um die Mühle, die sogenannte Galerie konstruiert. Das technische Innenleben zur Getreidevermahlung glich sich im Grundprinzip bei allen Holländermühlen. Die in der Kappe verlaufende Flügelwelle brachte über ein Winkelgetriebe (Kammrad und Bunkler) eine aufrecht, mittig im Mühlenturm befindliche Welle zum Drehen. Diese Hauptantriebswelle (Königswelle) trug am Fuß ein großes Zahnrad (Stirnrad), das über weitere Zahnräder und Wellen die Mahlsteine antrieb. Die Mahlsteine wurden von unten angetrieben, dass Stirnrad lag daher unter dem Mahlwerk. Die Übersetzung von den Flügeln bis zu den Steinen war in der Regel 1:6 bis 1:7. Ein Mahlstein drehte sich ungefähr 90 bis 120 Umdrehungen pro Minute, die Flügel sollten während dieser Zeit 20 Umdrehungen nicht überschreiten. Gemahlen wurde von alters her mit Steinen. Jeder Mahlgang hatte zwei Steine, einen festliegenden Unterstein (Lieger oder Bodenstein) und einen sich drehenden Oberstein (Läufer), zwischen denen das Getreide gemahlen wurde. Damit das Mehl nicht unkontrolliert in den Räum fällt, sondern durch ein Rohr in das darunter liegende Stockwerk - wo gleichzeitig der Müller vor dem beim Mahlen entstehenden Staub geschützt ist - waren die Steine mit einer hölzernen Bütte verkleidet. Ein Trichter diente dabei zum Einfüllen des Getreides. Eine Rutsche unter dem Trichter transportierte das Getreide zu den Steinen. Damit die Körner auf der Rutsche (Rüttelschuh) ohne zu stocken entlanglaufen konnten, wurde diese stets von der Antriebsachse des Mahlsteines hin- und her geschlagen. Das dabei entstehende Geräusch ist das berühmte „Klappern der Mühle“ im rauschenden Wind.
Über ein Holzrohr lief das Mehl entweder direkt in den Sack oder zu weiteren Bearbeitungsstationen. Mehl für Backzwecke wurde anders behandelt als Schrot für Tierfutter. Da ein Getreidekorn aus mehreren Bestandteilen bestand, ein Mahlgang lediglich zerkleinerte, wurden je nach gewünschtem Verwendungszweck gröbere Teile (z.B. Kleie) aus dem Mehl durch Sieben in der Sichtmaschine herausgetrennt. Ein nahezu komplett eisernes Räderwerk, ab 1905 zusätzlich ein Elektromotor und ein ausgeklüngeltes System von Transmissionen machten die Gronauer Windmühle damals zu einer der am besten ausgestatteten Mühlen der Region.
Mühlenbau-Firma Ludwig Tiedt
Der bekannte Peiner Zimmermeister und Windmühlenbaumeister Ludwig Tiedt, hatte in seinem Mühlenbaubetrieb eine angegliederte Holzhandlung und ein Sägewerk, beschäftigte zeitweise bis 40 Angestellte. Die Zusammenarbeit mit großen Maschinenfabriken (Hildesheimer Gießerei Gebr. Propfe, die Hannoverschen Eisengießereien - später Wülfeler Eisenwerke) und moderner Fabrikationsweisen im eigenen Betrieb, ermöglichten ihm Windmühlen in Serie nach einem Grundmuster zu fertigen, Holländer-Windmühlen mit neuster Technik regelrecht „von der Stange“ zu liefern. Protokolliert sind in seinem Arbeitsverzeichnis über 70 Neu- oder Umbauten von Holländer-, Bock- sowie Wassermühlen in den Regionen Hannover, Hildesheim und Braunschweig. Ab 1887 übernahm sein Sohn den Betrieb, der noch bis 1958 existierte. Das damals beginnende Mühlensterben machte die Firma Tiedt zuletzt zur reinen Holzhandlung.
Der 103-jährige Zeitzeuge Wilhelm Fricke (1895-1998) berichtet
Nachdem Wilhelm Fricke ab 1919 die Filiale der Elzer Bank in Gronau (Steintorstraße 20) leitete, arbeitete er geschäftlich mit dem Gronauer Müllermeister Wilhelm Koopmann zusammen. Fricke beschrieb dieses Mühlenbauwerk als fundamental massiv und stellte Koopmann gern größere Mengen an Schutzfarben für Erneuerungsarbeiten zur Verfügung (Interview 1998: Fricke/Schütte).
Quellenangaben
Für die vielseitige Unterstützung gilt ein besonderer Dank Rüdiger Hagen (Autor, Müllerei- und Mühlenbautechniker aus Wedemark) und dem Fotografen Dieter Goldmann aus Seelze. Ein Mühlen-Diavortrag mit Rüdiger Hagen ist im Jahr 2021 geplant.
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